Wer bin ich? Was mache ich? Mein Leben hat viele parallellaufende Facetten, das alles aufzuzählen würde fast ein Leben lang dauern.

Zur Welt gekommen bin ich 1958 in Delmenhorst. Im Alter von 14 Monaten Stand bei mir die Diagnose Diabetes Typ 1 fest und meine Mutter musste mir täglich Insulin spritzen. Mit viereinhalb Jahren habe ich dann selbst gespritzt. Die Schule habe ich an verschiedenen Bundeswehrstandorten besucht. Nach dem Abi war ich wieder in Delmenhorst und das dortige Arbeitsamt hat aufgrund des Diabetes entschieden, ich muss einen kaufmännischen Beruf erlernen. Büroarbeit ist mir zu weit weg vom Menschen und zum Ausgleich habe ich in meiner Freizeit ehrenamtlich im Delmenhorster Krankenhaus als Helferin gearbeitet. Dadurch gab es keine bedenken, dass ich als Diabetikerin meine zweite Ausbildung zur Krankenschwester machen möchte.
Während der Ausbildung habe ich mich mit eine Serum Hepatitis angesteckt. Mein kompletter Stoffwechsel kam dadurch aus dem gleichtritt. Ich habe schlagartig alle Folgeerkrankungen, die man als Diabetiker bekommen kann, gehabt. Bei der mündlichen Prüfung konnte ich die Prüfer fast nicht mehr erkennen.
Fast blind schickte mich das Arbeitsamt zur Umschulung nach Düren ins Berufsförderungswerk. Ein Dürener Augenarzt überwies mich in die Augenklinik nach Köln. In ihr bin ich fast ein Jahr gewesen und mit der elften OP erhielt ich Kunstaugen. Während der Zeit lernte ich die Arbeit des Kölner Blindenvereines kennen. Dadurch bin ich Mitglied im Kölner Blindenverein geworden. Vor allem Peter Krämer zeigte mir, dass das Leben auch mit einer Sehbehinderung weitergehen kann. Er versuchte mir die Punktschrift beizubringen, aber erst nach meiner Erblindung habe ich die Ruhe und Muße dazu im BFW Düren gefunden.
Im Frühjahr 1983 habe ich die Start-Ausgabe des „Wartezimmers - eine medizinische Kassetten Zeitschrift für jedermann" gehört. Begeistert nahm ich Kontakt mit Dr. Detlef Friedebolt auf und habe dann von der ersten Ausgabe an über 30 Jahre lang jeden Monat die Diabetes Sprechstunde gemacht. Für die Qualität der Artikel habe ich im Jahr 2000 den Medienpreis der Deutschen Diabetes-Stiftung (DDS) erhalten. Februar 1985 begann das Studium zur Lehrbeamtin bei der Oberpostdirektion Hamburg. Kurz vorher hatte ich meinen Mann in der Diabetesambulanz der Uniklinik Düsseldorf kennengelernt und unsere Hochzeit war 10 Wochen später. Da wir uns Kinder wünschen, habe ich mich für eine Diabetestherapie mit der Insulinpumpe entschieden. Die Insulinpumpe trage ich heute noch, Kinder haben wir keine.
Das Studium war größtenteils in Köln. Bemerkenswert ist, dass die Dozenten sich an den Schwächsten orientieren wollten. Immer, wenn der höllenlärm meiner Punktschriftmaschine verstummte, diktierten sie weiter. In der Punktschrift hatte ich nicht nur die Voll- und Kurzschrift, sondern auch die Stenografie gelernt und war für meine Mitkommilitonen viel zu schnell. Daher kam die Bitte, erst wenn die Mehrzahl der sehenden Studenten den Kugelschreiber ruhig halten, darf weiter diktiert werden.
Parallel dazu sind mein Mann und ich in vielen Wochenendseminaren von der Uniklinik Düsseldorf zu Diabetesberater ausgebildet worden, mit dem Ziel, niedergelassene Ärzte und ihr Praxisteam zu einer diabetologischen Schwerpunktpraxis aufzubauen. Bei der OPD in Hamburg, mit einer kompetenten Assistentin an meiner Seite, habe ich dann erfahren, dass ich jetzt erst einmal 5 Jahre Betriebserfahrung bekommen müsse, bevor ich als Lehrbeamtin arbeiten dürfe. Ich saß wieder einmal in einem Büro, fernab von den Menschen.
Mit meinem Mann, der fast seine Versetzung an ein Hamburger Finanzamt durchhatte, entschied ich als Diabetesberaterin zu arbeiten. Beim Aachener Arbeitsamt kam unser strukturierter Plan, wie man eine Diabetesambulanz an einer Klinik aufbaut, gut an. Da dieses Projekt neue Arbeitsplätze schafft, wurde finanzielle Unterstützung zugesagt. Von der Uni Düsseldorf wussten wir, dass die Ärzte des Luisenhospitals in Aachen eine Diabetesambulanz wünschen, aber der Verwaltung die Finanzen für die zusätzliche Einstellung einer Diätassistentin, einer Diabetesberaterin und einer Krankenschwester fehlen. Jetzt war Geld vorhanden. Alle konnten arbeiten, nur ich nicht. Die Genehmigung für meine technischen Hilfsmittel wurde zentral von Bonn aus verwaltet. Erst als ich Armin Kappallo (damals Vorsitzender des BSV-Nordrhein) um Hilfe bat, beschleunigte sich alles.
Die neuen Krankenkassenverträge verlangten, dass die Diabetesschulung nur noch bezahlt wird, wenn die Diabetesberaterin die Ausbildung nach den neuen Richtlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gemacht hat. Meine Kollegin wurde von der Krankenhausverwaltung dazu angemeldet, ich nicht. Die Begründung: Man kann den Dozenten nicht zumuten, sich auf eine blinde Teilnehmerin einzustellen. An dem Tag war ich sehr niedergeschlagen. Das änderte sich abends, im Briefkasten lag über die Uni Mainz die Berufung zur Dozentin für die Ausbildung der Diabetesberaterin DDG. Das habe ich über 30 Jahre gemacht, zuletzt an der Akademie für Gesundheitsberufe der Stiftung Mathias-Spital Rheine.
Als Pflegehelferin und Krankenschwester wurde man früher nicht im Heben von Patienten geschult. Daher habe ich massive orthopädische Probleme und wurde berentet.
Mittlerweile war ich Mitglied im Aachener Blindenverein und habe die Diabetesselbsthilfe in Aachen aufgebaut.
Für die Belange von Blinden und Sehbehinderten Diabetikern wurde ich aktiv im Nationalen Aktionsforum Diabetes mellitus - NAFDM. Ich gründete die Bundesinitiative Diabetiker mit Augenproblemen – BiDmA. Engagiere mich im Deutschen Diabetiker Bund und bei den INSULINERN.
Meine Hobbys sind Tandemtouren mit Zelt (zweitausendfünfhundert Kilometer im 3 Wochen Urlaub, gemütlich durch Deutschland und Belgien), Kanufahren durch Stromschnellen (Ardèche), Urlaub mit dem Wohnmobil, schwimmen, tanzen, lesen und Gartenarbeit. Als Köchin bin ich in der Vollwertküche zu Hause, das mitteleuropäische, mediterrane und asiatische Essen sind meine Leidenschaft. Auch die Fertigkeit des Brotbackens und der Käseherstellung habe ich in meinen Kochkursen vermittelt.
1995 wurde ich vom DBSV zur Diabetesbeauftragten ernannt und habe im Verband ein Netzwerk aufgebaut. Aus der Schweiz kam durch blinde Diabetiker der Wunsch, die verschiedenen Insulinsorten optisch und taktil unterscheidbar zu kennzeichnen. Mit dem INSULINER wurden die Vorstände der Insulinhersteller zu einem runden Tisch eingeladen. Das Resultat waren diverse
Kennzeichenmuster, die aber auf Bedenken US-amerikanischer Anwälte nicht benutzt werden durften. Dann sind wir mit dem DBSV und den österreichischen und schweizerischen Blindenverbänden an die Europäischen Blindenunion herangetreten. Heute haben wir Punktschrift auf den Umverpackungen der Medikamente.
Akustische Bedienungsanleitungen für diverse Blutzuckermessgeräte und Insulinpumpen nach dem Medizinproduktegesetz erstelle ich seit 1985. Auf den Kongressen der DDG und der AGDT (AG Diabetes und Technologien) gebe ich regelmäßig Vorträge und Workshops. Berate die Pharmaindustrie bei der Entwicklung medizintechnischer Hilfsmittel. So ist mit der Firma Hoechst der Begriff „sehen, hören, fühlen" als Synonym für barrierefreie Insulin-Pens (Spritzen in Kugelschreiberform) entstanden und heute Industrienorm. Im Ratgeber „Wenn Diabetes ins Auge geht – So geht das Leben weiter" schildere ich die Möglichkeiten das Diabetesmanagement weiterhin eigenverantwortlich selbst durchzuführen, den Weg zurück in den Beruf und ins erfüllte Leben. Meine Zusammenarbeit mit dem BFW Düren besteht bis heute, dadurch wurde vielen Neuerblindenden der Weg dorthin geebnet. Durch meine Kontakte zur WBH und dem Kirchheimverlag wird seit langem das Diabetes Journal aufgelesen. Auch die Schulungsbücher der Uni Düsseldorf sind dadurch erhältlich.
Meine wissenschaftlichen Publikationen die ich als Hauptautor veröffentlicht habe, führten zu weltweiten Resonanzen von Universitäten. „Lotsen vor Ort" ein Projekt des Gesundheitsministerium NRW im Auftrag des Bundes Ministeriums für Gesundheit. Menschen aus der Selbsthilfe wurden ausgebildet, im Sozialrecht Hilfesuchende unabhängig Auskunft zu erteilen.
2010 habe ich von Herrn Minister Karl-Josef Laumann die Ernennungsurkunde erhalten. Dann wurde das Landesprojekt zurückgefahren, damit es zu dem daraus entstandenen Bundesweitenprojekt EUTB keine Konkurrenz bildet.
Für den DBSV kommentierte ich 2016 das Projekt „Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps (CHARISMHA)". Die Studie ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Gesundheits-Apps in Deutschland, im Kontext der Bemühungen anderer Länder der EU. Sie wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Aufgrund der Kommentierung hat der Deutsche Bundestag mich als kundige Bürgerin zu dem Stakeholder Workshop „Apps im Gesundheitswesen" berufen. Aus der AGDT heraus haben Dr. Kaltheuner und ich DiaDigital geschaffen. Hier bewerten wir, mit vielen Freiwilligen, Gesundheits-Apps für den Bereich Diabetes. Barrierefreiheit ist Grundvoraussetzung. Die datenschutzrechtliche Überprüfung übernimmt das ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH (Gesellschafter sind die Selbstverwaltungen der Ärzte, Krankenkassen und Apotheker in NRW), der Kostenträger ist das Gesundheitsministerium NRW. Auf Wunsch von Barbara Steffens (NRW-Gesundheitsministerin) habe ich auf der MEDICA 2016 dem Bundesgesundheitsminister Herman Gröhe DiaDigital vorgestellt. Dieser präsentierte unser Projekt als zukunftweisender Weg auf der Konferenz der EU-Gesundheitsminister.
Jens Spahn beauftragte das Fraunhofer Institut mit der Erweiterung unserer diabetesspezifischen Bewertungskriterien auf alle chronischen Krankheitsbilder. Diese sind Grundlage für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei der Zulassung von „Apps auf Rezept". Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft verleiht seit 1979 die Gerhardt-Katsch-Medaille an Menschen, „die sich besonders um das Wohl der Diabetiker verdient gemacht haben". Diese habe ich 2019 erhalten.
Für die Deutsche Diabetes Hilfe - Menschen mit Diabetes habe ich die „S3 Leitlinie Diabetes Typ1" inhaltlich kommentierten und die Empfehlungen mit abgestimmt. 2 Jahre jeden Montag von 20:00 bis 21:00 Uhr eine Telekonferenz. Beim Robert Koch Institut (RKI) war ich Mitglied des wissenschaftlichen Beirats im Berufungszeitraum 2015 bis 2019. Um meine Aufenthalte in Berlin zu reduzieren, habe ich gebeten, nicht weiter Berufen zu werden. Die RKI Kollegen sind ebenfalls im wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln. Die gemeinsamen Beratungen sind identisch, die Aufgabenfelder verschieden.
Beim Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) bin ich Mitglied.
diabetesDE - Deutsche Diabetes Hilfe ist eine gemeinnützige Organisation, die die Belange der Diabetiker in die Politik bringt. Sei es durch die jährliche Gala, Fußballspiele Diabetologie gegen den Bundestag mit dritter Halbzeit (Gesprächsrunde bei einem kleinen Snack), Kochen mit Politikerinnen und so weiter. Dort bin ich stellvertretende Vorsitzende.
Auch im Blindenwesen habe ich früh Vorstandsarbeit gemacht. Bis 2000 war ich im Vorstand von Aachen. Dann kam mein Umzug nach Eschweiler. Im Dürener Krankenhaus habe ich die Diabetesselbsthilfe unterstützt und die Treffen, die Lothar Schubert (damaliger Vorsitzender BSV Düren) mit den Teilnehmern des BFW organisiert hat, verschoben meine Tätigkeit nach Düren und ich bin dorthin in den Verein gewechselt.
Am meisten liegt mir unser Blinden und Sehbehinderten Zentrum Nordrhein am Herzen. Im Vorstand von Aachen habe ich die Abstimmungen mitgetragen und Entwicklung des Projektes verfolgt und bin 1999 bei der Eröffnung dabei gewesen. Die bewegte Startzeit des Zentrums habe ich voll mitgemacht. In den Folgejahren bin ich immer wieder bei den Bewohnern gewesen, da wir unter ihnen Diabetiker hatten. Ich erlebe bis Heute, dass das Zentrum eine Heimat für die Bewohner ist. Es ist keine gewinnoptimierte Pflegeeinrichtung. Das Zentrum ist Bestandteil des Blinden und Sehbehinderten Verband Nordrhein. Zur Unterstützung des Zentrums bin ich im Verband zuerst Kassenprüferin geworden, dann Vorstandsmitglied und jetzt bin ich erste Vorsitzende. Nach der Klassifizierung der Versicherungen ist der Verband nicht als Geselligkeitsverein wie unsere Mitgliedvereine einzustufen.
In der Gefahrenabschätzung der Versicherungen steht er einer Anwaltssozietät oder Ärzte Praxis mit mehr als 10 Freiberuflern gleich. Es sind über 70 Menschen und ihre Familien, für die der Vorstand verantwortlich ist. Mit diesem Wissen führe ich mit meinem Vorstand die politischen Verhandlungen, wir suchen im Inklusionsgedanken den Schulterschluss mit den anderen Selbsthilfeverbänden. Das nenne ich über den Tellerrand schauen. Die Rahmenvertragsverhandlungen NRW haben unserem einzelnen Mitglied keinen finanziellen Vorteil gebracht. Die ganzen Gesetzesänderungen im Sozialbereich 2020, waren für unser Zentrum gravierend gefährlich. Bei den Verhandlungen haben unsere Partner, auf beiden Seiten, erkannt, dass wir verlässlich sind. Vertrauen ist die Basis für eine gemeinsame Zukunft.
Ihre
Diana Droßel / 1. Vorsitzende des BSVN
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